18. Dez 2023
Geschichte der Stadtmusik Bad Saulgau im 18. und 19. Jahrhundert – jetzt online
Die Dokumentensammlung und historische Aufarbeitung „Geschichte der Stadtmusik Bad Saulgau im 18. Und 19. Jahrhundert“ von German Schreibeis.
Herr Schreibeis, Sie haben in einem – ohne Übertreibung – gewaltigen Werk (übere 260 Seiten) die Geschichte unserer heutigen Stadtmusik im 18. Und 19. Jahrhundert erforscht. Mit Stunden und Tagen ist nach dem Zeitaufwand vermutlich nicht zu fragen. Wie lange und wo überall haben Sie zu diesem spannenden Thema recherchiert?
Es dauerte lange und es führte zu Verspätungen, weil ich meine Fähigkeiten, Handschriften aus dem 18. Und 19. Jahrhundert zu lesen und zu übersetzen, überschätzt habe. Eigentlich sollte die Zusammenstellung im Jubiläumsjahr 2022 fertig werden, so dauerte es bis Sommer 2023. Alles, was im Stadtarchiv Bad Saulgau zum musikalischen Geschehen in Ratsprotokollen und Haushaltakten zu finden war, wurde abgelichtet und übersetzt. So ist die erwähnte Seitenzahl eigentlich zu halbieren, weil die Quellen sowohl in der Übersetzung als auch im Original erfasst sind.
Es ist immer wieder die Rede von Überlieferung, Verifizierung oder Transkription. Was waren die größten Herausforderungen bei der historischen Aufbereitung und geschichtlichen Betrachtung des Saulgauer Musikgeschehens?
Die Herausforderung bestand im Zeitaufwand, denn Handschriften sind meist auch ein Spiegelbild des Protokollanten. Schönschreiben stand nicht an erster Stelle und manchmal könnten auch Müdigkeit und Genussgetränke das Schriftbild verändert haben.
Meine vergleichsweise äußerst bescheidenen Recherchen haben ergeben, daß Sie wohl jahrzehntelang Präsident des Bürgerausschusses in Bad Saulgau waren, niemals aber Trompeter oder Klarinettist in der Stadtmusik, geschweige denn in der Vorstandschaft tätig. Was hat Sie bewogen, welche Verbindungen haben eine Rolle gespielt oder gar wer hat Sie getrieben, solch einen immensen Aufwand gerade für die Stadtmusik Bad Saulgau zu betreiben?
In der Stadtmusik wirken heute aus meiner Verwandtschaft die Nachkommen langjähriger aktiver Musiker, die mich animierten, bei der Erfassung geschichtlicher Daten zu helfen. Und das hat mir Freude bereitet. Erste Erfahrungen in der Archivarbeit habe ich im Zusammenhang mit „500 Jahre Bächtlefest 1518 – 2018“ gesammelt.
Die letzten Jahrzehnte waren in Sachen Nachhaltigkeit am Dirigentenpult geradezu beispielhaft – 30 Jahre Musikdirektor Josef Zeitler, 20 Jahre Musikdirektor Stefan Leja, und augenscheinlich die nächsten 30 Jahre Musikdirektor Marc Lutz. Der „Verschleiß“ an Menschen am Taktstock war in früheren Jahren wohl größer?
Von „Verschleiß“ an Menschen am Taktstock möchte ich nicht reden. Im 19. Jahrhundert kamen die Bewerber um ein Dirigentenamt allein aus der Gemeinde selbst. Häufig war ihr Hauptberuf Lehrer. Das Lehrerdasein war auf kleine Nebenerwerbe bzw. Naturalentlohnung angewiesen. Logisch, enttäuschte Mitbewerber schauten neidvoll auf die Amtsinhaber. Nicht gerade förderlich für das friedvolle Nebeneinander.
Seit einem halben Jahrhundert sitzen immer beim Jahreskonzert 70 bis 80 Musikerinnen und Musiker auf der Bühne, Schorsch Reichert war 25 Jahre Vorstand, Helmut Kabus 20 Jahre und Stefan Kabus wird wohl auch noch lange bleiben. Ihre Nachforschungen haben ergeben, daß es in diesen Beziehungen früher wohl auch gelegentlich hoch hergegangen ist?
Heute sind wir offener, unabhängiger und mit der juristischen Form eines Vereins sind das Dirigentenamt und die Vorstandschaft innerhalb der Kommune weitaus besser geregelt als einst und wohl niemand wollte die Zustände des 19. Jahrhunderts erhalten.
Aus dem Ärmel geschüttelt, Herr Schreibeis, was waren die dramatischsten und was waren die lustigsten Begebenheiten, die Ihre minutiösen Recherchen über die Vorläufer der Stadtmusik Bad Saulgau zutage gefördert haben?
Dramatisch? Nicht anders als heute, es ging meist um das liebe Geld. Lustig? Musikalische Dienste für die Jugend und die Allgemeinheit wurden einst mit einem „Klafter Brennholz“ aus dem Stadtwald honoriert.
Vielen herzlichen Dank Herr Schreibeis für das Gespräch. Die Fragen stellte Roland Mutschler.